SZ 19.04.97

Platten aus München

Kaminfeuer-Blues

„Live Fireworks“, Nick Woodland, Blues Beacon von Enja Records 3124
Einen Bowler-Hut trägt er auf dem Cover. Distinguiert britisch ist auch der Ausdruck in dem schmalen, von tiefen Furchen durchzogenen Gesicht. Die Falten hat sich Nick Woodland aber nicht etwa am Stock Market der Londoner Börse geholt, sondern seit fast 25 Jahren in den Bluesclubs von München und Umgebung. Da kennt ihn eine kleine, aber feine Fangemeinde eher mit Baskenmütze und unvermeidlicher Kippe im Mundwinkel, und der dünne Mann mit der trockenen Stimme und den flinken Fingern ist für sie der beste Bluesgitarrist Münchens, Bayerns, Deutschlands oder Europas. Unermüdlich hält der inzwischen 46jährige „Englishman in München“ hierzulande die Fahne des Rhythm-&-Blues hoch. Ein SZ-Kritiker nannte ihn einmal „die Reinkarnation von Eric Clapton“. Den Durchbruch aber hat Nick Woodland – trotz des „Schwabinger Kunstpreises“ im vergangenen Jahr – nie geschafft. Obwohl er in den 70ern nahe daran war: Als Studiomusiker veredelte er diverse Disco-Produktionen mit dem gewünschten Gitarrensound und spielte mit Marius Müller-Westernhagen fünf Platten ein. Doch nach drei Jahren Studioarbeit, relativ sorglosen Lebens und 18 gesammelten Gitarren hatte er genug von der Rolle des Dienstleisters. Wer hören wollte, wofür Woodland seine Karriere aufgab und eine geräumige Wohnung gegen ein winziges Appartement in Schwabing eintauschte, mußte sich fortan in kleine rauchige Clubs begeben.

Musik für Sessions

Im „Vogue“ oder im „Grünen Eck“ versammelte Woodland seine „Magnets“: In der Stammbesetzung mit Fats Fries an den Drums und George Esser am Baß, oft begleitet vom Pasinger Tastenfex, Hammond- und Zydeco-Mann Ludwig Seuß, demonstriert Nick Woodland, warum die Musik eines Chat Atkins, eines Otis Rush oder Blind Willie McTell unsterblich bleibt. Eine Musik im übrigen, die nur auf Sessions „lebt“ und am besten live genossen wird. Da das in München mangels geeigneter Spielstätten immer schwieriger wird, muß man dankbar sein, jetzt ein echtes Nick-Woodland-Konzert auf CD abspielen zu können. Und zwar eins von den guten: fetzig der Einstieg mit Hank DeVitos „Rock’n’Roll Man“. Swingend der „Train (23 Stops)“ aus der Feder des Meisters selbst. Hochgradig relaxed und bluesig P. A. Greens „I loved another woman“ oder der Traditional „Got a mind to give up living“ . Und als Höhepunkt eine zwölf Minuten lange Version von Otis Rushs „Double Trouble“. Eine geballte Ladung „Fireworks“ eben statt weichgespülten Kuschelrocks. Auch damit wird Nick Woodland wahrscheinlich nicht den Durchbruch schaffen. Aber man versteht, warum Georg Ringsgwandl über Nicks Arbeit sagt: „So geht das Gitarrespielen.“ OLIVER HOCHKEPPEL