SZ 23.05.97

Die schräge Fee und ihr vogelwilder Gitarrist

An den Kammerspielen hat heute Georg Ringsgwandls erstes Musiktheaterstück „Die Tankstelle der Verdammten“ Premiere

Chuck ist ein vogelwilder Typ. Er geht auf Mitte 40 zu, hat ständig Krach mit seiner Freundin Angie, glaubt immer noch an die große Karriere als Rockgitarrist und hängt tagelang mit seinen Freunden an einer heruntergekommenen Tankstelle herum, weil er keine Arbeit hat und pleite ist. Aber trotzdem ist er immer super drauf, lässig, cool, entspannt im Hier und Jetzt. Eine verkrachte Existenz, wie sein Freund Tino, der früher mal Testfahrer bei BMW war und jetzt als Würstlbrater und Kassenaushilfe in der Tankstelle jobbt. Eine typische Figur, wie er sie mag, der bayerische Rockkabarettist Georg Ringsgwandl, bekanntermaßen Spezialist für schräge Vögel und kaputte Existenzen. Über die Jahre hinweg hat er viele solcher Typen in seinen Programmen vorkommen lassen, hat Prolo-Spießer karikiert und Dorfdisco-Machos. Zelte und Hallen füllt er nach wie vor in ganz Deutschland, wenn er mit seinen Programmen durch die Lande fährt, und für die meisten Veranstalter gilt er als sichere Bank, weil sie auf ein ausverkauftes Haus rechnen dürfen. Weniger bekannt war Ringsgwandl bislang als Theaterautor, und deshalb mag es manchen Kammerspielabonnenten schon überrascht haben, als er in der Spielplanvorschau den Namen Ringsgwandl auftauchen sah und dahinter: „Die Tankstelle der Verdammten“. Die musikalische Revue - Ringsgwandl nennt sie recht bescheiden ein „Schrottmusical“ - erzählt die Geschichte von Chuck, dem stolzen Loser. Wie er an der Tankstelle mit dem schmierigen Yuppie-Anwalt Prittwitz in Streit gerät, wie der ihm dann den Gerichtsvollzieher ins Haus schickt, wie Chuck dann beinahe doch noch eine letzte Chance als Gitarrist erhält, sie schließlich verpatzt und dann auch noch Ärger bekommt mit der Schlägertruppe, die ihm Prittwitz auf den Hals hetzt . . . Eine wüste Geschichte ist das, die sich Georg Ringsgwandl da ausgedacht hat. „Ich hab eine Schwäche für so Leute“, sagt er, „die es ihr Leben lang zu nix Gescheitem bringen, aber trotzdem so munter vor sich hinwurschteln und auch noch großspurig daherreden können.“ Verkrachte Musiker hat er in seiner eigenen Musikerkarriere genügend kennengelernt, auch ganz hervorragende, die aber irgendwie dann doch vom Pech verfolgt wurden, so wie Chuck. Und trotzdem ganz zufrieden waren mit den kleinen Jobs, den Gigs im Jugendfreizeitheim in Reichenhall oder in irgendeinem miesen, kleinen Aufnahmestudio. „Die Tankstelle der Verdammten“ ist nicht von ungefähr dem Georgie Schreiner gewidmet, Ringsgwandls langjährigem Gitarristen, mit dem er schon zu Zeiten des legendären „Gurkenkönigs“ zusammengespielt hat - jener Kunstfigur, mit der Georg Ringsgwandl in der Münchner Szene erstmals bekannt und berühmt geworden ist. Schreiner tritt heute nicht mehr auf: Seit einem Autounfall vor ein paar Jahren ist er gesundheitlich schwer angeschlagen. Das Schicksal einiger liebenswerter Chaoten - ein Fall für die Münchner Renommierbühne? Es ist nicht ganz so, als ob die Kammerspiele da ein riskantes Experiment wagten: Schließlich ist Georg Ringsgwandl in München ein eingeführter Name und die „Tankstelle der Verdammten“ längst ein Erfolgsstück. Uraufgeführt wurde es kurioserweise am 30. Dezember 1994 am Schauspiel Köln und das mit großem Erfolg. Mehr als 60 Vorstellungen liefen dort, obwohl eigentlich nur zehn geplant waren. Aber die „Tankstelle“ - mit dem Kölner Lokalmatador Gerd Köster von der Rockband Schroeder Roadshow in der Hauptrolle - war ständig ausverkauft, und so spielte man einfach immer weiter. Ähnliches mag sich Intendant Dieter Dorn nun auch von der Münchner Inszenierung erhoffen. Hier sollte eigentlich Manfred Zapatka den Chuck spielen. Der aber erkrankte, und so sprang Georg Ringsgwandl selbst ein. Zusätzlich zu seinem Job als Autor, Komponist und Regisseur übernahm er auch noch die Hauptrolle, und so kann man sicher sein, einen ziemlich originalen „Ringsgwandl“ auf der Bühne der Kammerspiele gezeigt zu bekommen. In weiteren Rollen sind Michael Tregor als Ex-Testfahrer Tino, Annika Pages als Chucks Freundin Angie, Stephan Kampwirth als Prittwitz und Jörg Hube in der Doppelrolle als Chucks Mutter und als Fee zu sehen. Die Fee, da kann man drauf wetten, wird eine Paraderolle für Jörg Hube. Denn sie schwebt immer wieder, phosphoreszierend leuchtend, durch das Bühnenbild von Elin Doka, das im wesentlichen aus einem alten, schrottreifen Omnibus besteht, und gibt kluge, hochgestochene Sätze von sich. „Die Fee verschafft dem akademischen Theatergänger Zugang zur dreckigen Tankstellenwelt“, erklärte Ringsgwandl einmal lapidar, „außerdem lasten auf ihr noch ein paar mythische Funktionen. Und dann holt sie die Typen an der Tankstelle hin und wieder aus ihrem Gedümpel raus, relativiert mit ihrer hochnäsigen Sprache die Sichtweise der Protagonisten.“ Klingt ambitioniert. Daß es auf alle Fälle unterhaltsam wird, dafür sorgt schon die Band im Omnibus (in ihr spielt unter anderem auch Münchens Szene-Gitarrist Nick Woodland mit). Mal sehen, ob auch in München klappt, was sich Ringsgwandl zum Ziel gesetzt hat: „ein Musiktheater zu machen, in dem sich Leute, die Geschmack haben und die nicht ganz blöd sind, gut unterhalten können. Intelligent, aber ohne Zeigefinger.“ FRANZ KOTTEDER

Bildunterschrift/Tabelle: EIN UNTERGANGSSZENARIO, bei dem man sich auf intelligente Weise und ganz ohne Zeigefinger unterhalten fühlen soll: Georg Ringsgwandl (links) als abgehalfterter Rockgitarrist Chuck und sein Freund Tino (Michael Tregor) in der „Tankstelle der Verdammten“. Photo: Rabanus