SZ 27.01.96

FRANZ KOTTEDER

Schräger Vogel am Stadttheater

Der Musik-Kabarettist Georg Ringsgwandl macht auch mit Bühnenstücken

Der Publikumserfolg am Kölner Schauspiel in der Saison 1994/95 überraschte auch die Intendanz. 60 ausverkaufte Vorstellungen, obwohl nur zehn angesetzt waren. Beim Autor handelte es sich keineswegs um einen der großen Namen aus der deutschen oder internationalen Theaterszene, sondern um einen Neuling. Das Stück war sein Debüt als Dramatiker. 'Die Verdammten der Tankstelle', so heißt es, ist das erste Bühnenwerk von Georg Ringsgwandl; daß es ausgerechnet in Köln uraufgeführt wurde, verwundert. Schließlich ist Ringsgwandl hauptsächlich im Süden der Republik ein Begriff, wenn auch nicht als Schriftsteller oder Theaterautor, sondern als schriller Rockkabarettist mit sarkastischen Texten über Schickis, Spießer, kleine Leute und abgedrehte Typen. Gut zehn Jahre lang zog der Musikclown mit seiner Band durch Kleinkunstbühnen und Hallen, gastierte bei Zeltfestivals und Kulturwochen, machte sich einen Namen als ausgeflippter, schräger Vogel, weil er in absurden Verkleidungen auftrat, Grimassen schnitt wie kein Zweiter und regelmäßig über sein Publikum herzog: 'Ihr braucht's überhaupt net sovui klatschen, i mecht schließlich um zehne fertig sei.' Und dieser durchgeknallte Typ war nun plötzlich ein Dramatiker, der das erfolgreichste Theaterstück der Kölner Saison geschrieben hatte, ein Stück, das inzwischen auch das Stockholmer Stadttheater und die Münchner Kammerspiele in den Spielplan aufnehmen wollen? So ganz überraschend ist diese Seite des Georg Ringsgwandl aber auch wieder nicht für jene, die seine Karriere verfolgt haben, vom Deutschen Kleinkunstpreis 1988 bis heute. Denn der Rockkabarettist, der bis 1993 gleichzeitig einem ziemlich geregelten Beruf als Oberarzt am Kreiskrankenhaus Garmisch-Partenkirchen nachging, hatte immer wieder neue Überraschungen für seine Zuschauer und Zuhörer parat. Ende 1993 beispielsweise, mit seiner vierten Platte 'Staffabruck', verblüffte er Publikum und Kritik durch leise, oft melancholische Blues-Songs und Themen aus seiner Kindheit in einem kleinen Ort nahe des oberbayerischen Bad Reichenhall - einfache, spartanisch instrumentierte Lieder, die dem grellen Bühnenfeger Ringsgwandl eigentlich niemand so recht zugetraut hätte und die regelmäßig Vergleiche mit amerikanischen Stars wie Bob Dylan, J. J.Cale oder Paul Simon wachriefen. Und schließlich gab es dann auch noch den Klagenfurter Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis 1994, bei dem Ringsgwandl als Schriftsteller debütierte mit einer skurrilen Kurzgeschichte, die den Titel '24 Stunden Sanitär-Notdienst Maderegger' trägt. Die Geschichte kam allerdings nicht an bei der Jury: 'Die ham des Teil nach allen Regeln der Kunst zerrupft', erzählt Ringsgwandl, 'die Gesellschaft aus der Installateurs-Perspektive - das war natürlich nicht nachvollziehbar für eine Germanistik-Elite, die die Welt nur aus dem Ikea- Arbeitszimmer heraus betrachtet.' Nein, das Ikea-Arbeitszimmer ist kein Ort, für den Ringsgwandl allzu viel übrig hat. Und so spielt auch die 'Tankstelle der Verdammten' in einem recht schäbigen Milieu, nämlich in der 'altmodischsten Tankstelle Europas'. Dort treffen sich regelmäßig drei Versager, die immer noch an den großen Durchbruch glauben: Chuck, der Gelegenheitsgitarrist Mitte vierzig; Tino, der ehemalige BMW-Testfahrer, und Rainer, der Mercedesspezialist, der gebrauchte Autos verscherbelt. Besonders Chuck, der 'regelmäßig mit einem gewissen Stil vor sich hinscheitert' (Ringsgwandl), hat es schwer: Er ist pleite, seine Freundin verläßt ihn mitsamt den Kindern, er verliert seine Wohnung, und die einzige Gelegenheit, wieder ins Musikbusiness einzusteigen, geht ungenutzt vorbei, weil Chuck sich in einer Kneipe betrinkt, als der Anruf eines Managers kommt. Die Geschichte von den drei liebenswerten Verlieren kommt an, aber noch mehr lieben die Zuschauer die Musik, die Georg Ringsgwandl für die 'Tankstelle' geschrieben hat: eine Mischung aus Rock'n'Roll und Dixieland, aus Vaudeville und Blues. Und der Darsteller des Chuck, die Kölner Rockgröße Gerd Köster (früher Schröder Roadshow und The Piano Has Been Drinking) sowie Ralph Morgenstern, bekannt aus der Travestie-Theatertruppe Walter Bockmeyers ('Geierwally', 'Sissy - Beuteljahre einer Königin'), haben schnell die Herzen der Kölner gewonnen. Nach der Absetzung des Stücks gab es sogar eine Unterschriftensammlung für die Wiederaufnahme. In der nächsten Saison soll das Stück wieder auf den Spielplan kommen. Ringsgwandls Konzept für ein 'anderes' Musical ist aufgegangen. Eines, 'in dem sich Leute, die nicht ganz blöd sind, gut unterhalten können'. Kein Starlight-Express, 'dieses miese, infantile Kindermärchen, zu dem man mit 2000 alten Weibern aus dem Schwarzwald nach Bochum gekarrt wird'. Ist der skurrile Rock-Clown also endgültig ins Kultur-Establishment übergewechselt? Will er nach den wilden Jahren jetzt seriös werden? Diese Gefahr besteht nicht. Denn der Entertainer hat ein neues Programm ausgearbeitet, das Ende Februar Premiere haben wird, im Mai soll eine neue Platte erscheinen. Ausprobiert hat er aber schon mal, wie es so ankommt. Schon gut eine Stunde vor dem angekündigten Konzert ist die Alte Mälzerei in Regensburg brechend voll. Georg Ringsgwandl, das hat sich in Regensburg schnell herumgesprochen, hat was neues. 'DJ Shoashy' heißt das Programm, und der selbsternannte 'Flashmaster R.' kündigt gleich zu Beginn ironisch an, daß der Abend nicht einfach werden wird für das Publikum: 'Wir arbeiten heute an einer Analyse der derzeitigen Zivilisationsproblematik, wir sind quasi ein soziologisches Seminar, das sich zu einem Unterhaltungsabend trifft.' Als ein Zuschauer dazwischenplärrt, er solle zu reden aufhören und endlich zu spielen anfangen, reagiert Ringsgwandl gelassen (ein paar Jahre zuvor hätte er ihn noch unter wüsten Beschimpfungen aus dem Saal geworfen): 'Das, was du jetzt da machst, ist ziemlich uncool. Du erniedrigst mich ja quasi zum Funktionssklaven. Der Fakt, daß du das sagst, ist okay. Das schon. Wir wissen noch nicht genau, wie wir das einzuordnen haben, aber eines ist klar: Es ist nicht cool.' Danach wird es heftiger. Von 'verdreckten, versifften Datenschwuchteln' ist die Rede, 'die die ganze Woch' beim Toyota vorm Computer hocken und net wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen'. Die sind dann abends via Internet mit der 'Welt vernetzt', und im gleichnamigen Lied stellt Ringsgwandl nüchtern fest: 'doch der Welt ist das egal'. Um die Absurditäten der Großstadtgesellschaft geht es wieder einmal in den neuen Stücken, um Alternativlinge, die ganz fanatisch ihren Müll trennen, um Menschen, die nur ein Problem kennen, nämlich: 'Mein Hund wird falsch ernährt'. Logische Folgerung: Lauter 'Gestörte' gibt es auf der Welt, unter anderem Rudolf Scharping, weil der mit Konstantin Wecker befreundet ist ('kein Wunder, daß der Konny was schnupfen muß, wenn die bis 4 Uhr früh Männergespräche führn, hey'), oder auch den Kardinal Ratzinger, weil der den Geschlechtsverkehr nur erlaubt, wenn auch ein Kind dabei herauskommt. Rat des Sängers: 'Ratzl-Spatzl, des ist klar, wenn du des so selten machst, dann lernst du des nia!' Der Saal johlt schon nach den ersten Conferencen, und nach zweieinhalb Stunden ist klar: Die neuen Nummern kommen gerade so gut an wie die alten. Für Ringsgwandl sind die Kabarettprogramme ein angenehmer Ausgleich: 'Beim Schreiben muß man ganz introvertiert sein, funktioniert nur als Beobachtungsmaschine. Auf der Bühne hingegen muß man aus sich herausgehen, das ist eine ganz wilde, narzißtische Veranstaltung.' So lassen sich die beiden Seiten des schrägen Vogels gut miteinander vereinbaren. Jetzt kommt erst einmal die neue Platte, die neue Tour. Dann aber wird Ringsgwandl wieder zum Beobachtungsapparat: Er arbeitet dann an einem neuen Theaterstück. Der Titel, es wird wieder eine Art Musical, ist jedenfalls vielversprechend: 'Die magische Trockenhaube'. Bildunterschrift/Tabelle: Photo: Alex Schütz