Georg
Ringsgwandls Musical "Die Tankstelle der Verdammten" in der Fabrik
Verlierer
unter sich
Von VOLKER
ALBERS
Hamburg
- In der Altonaer Fabrik ist der garstige Abgesang auf ein Genre zu besichtigen:
Georg Ringsgwandls "Die Tankstelle der Verdammten" ist des Musicals ästhetisches
Tschernobyl. Ein Triumph des schlechten Geschmacks, aber komisch.
Die Band sitzt in einem fensterlosen Bus und spielt den Blues. Davor steht
ein ausgeschlachteter R 4, dessen Himmelblau der schönste Zynismus
ist. In einem Einkaufswagen baumelt die Fritteuse. Durch dieses gnadenlose
Diesseits taumeln Chuck, ein abgewrackter Rock 'n' Roller, und Tino, einst
Testfahrer ("alte Kurvensau"), jetzt Kfz-Monteur und windiger Würstchenbrutzler.
Verlierer unter sich. Tankstellentristesse.
Tom Mega ist Chuck. Der einstige Punk-Sänger und Jacques-Brel-Interpret
schlüpft derart lebensnah in die Rolle des versoffenen Ex-Gitarristen,
als habe man ihn schnurstracks aus dem Kellergewölbe des "Pik As"
rekrutiert. Feinsinniges ist nicht gefragt, es wird nicht zartbesaitet
parodiert, sondern satirisch geknüppelt - "Ich bin die soziale Ratte,
wo ist meine Hängematte?" Der Blues der letzten Tage.
Worum geht's? Chuck lebt mit Angie (pure Underdog-Erotik: Ulla Wagener)
und Kind in der Wohnung seiner Mutter - sie und die gute Fee, die ein wenig
Harmonie zu streuen trachtet in all dem Elend, spielt Axel Meinhardt mit
skurrilem Witz und beachtlichem Bariton. Dann gibt's da noch den Geldeintreiber
Prittwitz (eine Art Meat Loaf im Stimmbruch: Axel Kraus), der auf Angie
scharf ist, was Chuck rasend macht ("Jeder Asbach-Veteran war mit dir zugang'").
Schlußendlich vermasselt Tino (Hans Nikos) noch Chucks letzte Chance,
jemals wieder eine Rock 'n' Roll-Bühne zu erklimmen.
Alle genreüblichen Stilmittel werden derb verhunzt, nichts ist heilig
inmitten des Verfalls, die Sehnsüchte sind Mythos, Frauennöte
so grotesk wie Männerwünsche ("Gib's ihm mit der Rute, Ute").
Dazu spielt die Band jazzig, rockig Ringsgwandl-Songs. Das wirkt erleichternd,
ist die Musik doch das einzig Konventionelle in diesem bitter-komischen
Theaterdesaster.
Ringsgwandls von ihm so apostrophiertes "Schrottmusical" (Regie: Till Stief)
ist ein ehrliches Musical, denn es versucht gar nicht erst, eine Geschichte
zu erzählen. Und eine Botschaft? Wenn, dann diese: Das Leben ist mies,
aber es gibt sieben Methoden, eine Bierflasche zu öffnen. Sieben kleine
Fluchten. Chuck kennt sie alle. Bis zum goldenen Schluck. Wo, bitte, geht's
zur nächsten Tanke?
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