Georg Ringsgwandl über die Kunst und das Leben
"Vorurteilslos an den Menschen anschleichen"
Der 1948 in Staufenbrücken geborene Georg Ringsgwandl, im
"kleinbürgerlichen Leben" Arzt, ist bekannt für seine ganz eigene
Mischung aus Kabarett, provokativer Verwandlungsshow, Tragikomik,
Mundartdichtung und Musik. In schräger Verkleidung singt er von den
Absurditäten des modernen Lebens, dessen Nichtigkeit und
Vergänglichkeit er dem Publikum durch groteske Überzeichnung
des
alltäglichen Wahnsinns vorführt.
Bei einem Besuch in Schweinfurt sprach er über das Verhältnis
von
Medizin und Kabarett, von Rolle und "Spießbürgertum" und von
den
Träumen, die er noch hat.
"Von meiner Biographie gibt es verschiedene Versionen," behauptet er.
"Ich habe eine für Frauenzeitschriften, für den BayWa-Gartenfachberater,
für Capital und die Bäckerblume," sagt er und grinst dabei. "Ich
mache
das, was gerade gebraucht wird, von redaktioneller Beratung bis hin zum
gezinkten Interview, das die deutsche Hausfrau dazu bewegt, wieder mehr
Semmeln zu kaufen."
Das kommt daher, "daß ich an sich ein Multidilettant bin und nicht,
wie die Medien behaupten,
ein Multitalent. Ich singe mehr oder weniger grausig, aber eingängig,"
gibt er zu. "Ein paar
Fehlgeleitete der Gesellschaft gehen dann in die Konzerte. Eigentlich bin
ich auf der Bühne ein
abschreckendes Beispiel, denn im wirklichen Leben gehöre ich zu den
ehrlichen Spießbürgern mit
der dazugehörigen Liebe zu Kleingärtnern und Taubenzüchtervereinen.
Tiefes Mißtrauen hege ich
nur gegen die Leute, die von sich behaupten, offen und rebellisch zu sein."
Vielen Leuten ist die Kombination aus Medizin und Kabarett verdächtig.
Welche Verbindung
gibt es zwischen dem Arzt Ringsgwandl und dem Kabarettisten, der
"induktiv-von-unten-analytische Gesellschaftsforschung" betreibt? "Nun,
das Interesse des
Mediziners richtet sich immer auf den einzelnen Menschen, im Gegensatz
zum Gebiet des
Soziologen, der sich mit der Masse beschäftigt," erklärt Ringsgwandl.
"Als Arzt interessiert mich
der einzelne. Meine Forschungsarbeit in der Gesellschaft hingegen arbeitet
damit, sich
vorurteilslos an Menschen heranzuschleichen. Treffen mehrere der Art zusammen,
entstehen
meine Hypothesen."
Dazu schaut er sich einfach um und registriert, "worüber sich die
Leute auf der Straße unterhalten:
über den neuen Baumarkt, daß das Benzin zu teuer sei, meine
Krampfadern jucken oder es ist so
saukalt, wo bleibt die globale Erwärmung?" Wie war denn das Gefühl
für den "Lebensdilettanten"
Ringsgwandl, als er 1989 den Deutschen Kleinkunstpreis erhielt? "Den kriegt
doch jeder Trottel,"
protestiert er. "Oder nach dem Spruch von Polt: Der Preis sucht gnadenlos
seinen Träger. Nein,
da hat sich nichts geändert." Und bei der Arbeit als Arzt, wenn die
Leute ihn doch als ironisch, ja
geradezu bissig von der Bühne her kennen? "Viele Leute kommen nicht
zu mir, wollen sich von
so einem nicht behandeln lassen," gibt er zu. "Anfangs war ich dadurch
schon etwas verschreckt,
doch inzwischen akzeptiere ich den Wählerwillen. Wir leben ja in einer
freien Marktwirtschaft.
Da kann man sich seinen Arzt aussuchen. Nur die Schwerkranken, nach einem
Unfall, die schon
mit Beatmungsgerät in die Praxis kommen, die haben keine Wahl mehr."
Ist der Kabarettist privat eigentlich auch so ironisch? Wird das irgendwann
zum Charakterzug?
Ringsgwandl schaut ernst drein: "Im Alltag bin ich ein absolut normaler
Kleinbürger. Ich versuche
nicht, im Alltag besonders witzig zu sein. Es ist nicht so, daß ich
von meiner Rolle nicht mehr
runterkomme. Ich kann das überhaupt nicht leiden, wenn Leute in ihrer
Rolle steckenbleiben.
Mehr noch: Im Alltag habe ich keinen Sinn für Faxen! Alltag muß
ganz kerzengerade sein."
Nach einer völlig normalen Kindheit hat Georg Ringsgwandl ein Studium
absolviert, hat einen
bürgerlichen Beruf. Immer schon hat er Musik gemacht, dann kam das
Kabarett, zuletzt 1998
das Theater. Gibt es da etwas, wovon man noch träumt, was man unbedingt
noch machen will?
"Ich möchte gerne noch ein paar Musiktheaterstücke schreiben,
ein paar Bücher, die ich schon
im Kopf habe, noch ein paar Platten machen. Das wäre das Wichtigste."
Und jenseits der Kunst und Kultur? Der alte Traum von Reichtum und einer
einsamen Insel? "Ich
möchte in der Innenstadt sterben. Ich glaube nicht an die Version,
daß man genug Geld hat und
sich zurücklehnt. Das ist tödliche Langeweile. Auf dem Land wird
man vollkommen deppert,
fängt das Saufen an. Das beste Privileg beim Altwerden ist doch, weiterhin
mitzumachen - mitten
im Leben."
Susanne de la Fuente