7.10.1999 ovb-online Rosenheim

Das ungeschminkte Leben

Georg Ringsgwandl ist ruhiger geworden. Die schrillen Kostüme vergangener Jahre hat er eingetauscht gegen einen Pulli, er hopst nicht mehr aufgekratzt über die Bühne, sondern sitzt fast ruhig auf einem Stuhl im Waldkraiburger Stadttheater. Sein Blues ist leise.

Trotzdem ist Ringsgwandl der alte Geschichtenerzähler geblieben, dem nichts wichtiger ist als der ungeschminkte Blick auf die Menschen. Die treten in seinen Liedern in all ihrer Zerissenheit auf. Sie sind nicht gut oder böse, Opfer oder Täter, sondern stets beides. Helden und Leidtragende des Alltags.Ringsgwandl redet seine Hauptdarsteller nicht schön. Er stellt sie vor, überzeichnet sie in seiner skurrilen, abgedrehten Art, lässt sie leben, so wie sie sind. Ein Urteil, Freispruch oder Verdammung, ist von Ringsgwandl nicht zu erwarten.
Da singt er von seiner Oma, die er als Kind geliebt hat, die beste Oma der Welt, die ihm stet Guatl geschenkt und viel Zeit für ihn hatte. Doch schon in der nächsten Strophe lässt sie den Watschnbaum umkippen, knechtet den Opa, ist selbstsüchtig und ungerecht - und bleibt doch die geliebte Oma, die mit den Guatln.
Nur einmal durchbricht er diese Ringsgwandlsche Sicht der Dinge und bringt Matthias Kneissl auf die Bühne. Jenen Dieb, der Anfang dieses Jahrhunders, «also vor gar nicht allzu langer Zeit», geköpft wurde. Kneissl, ein Opfer der Verhältnisse, der den Reichen nahm, sich und den Armen gab, ein liebender Vater und guter Freund. «Er wollte leben, wie es ihm gefällt», erzählt Ringsgwandl und gibt dabei viel von sich selbst preis - es ist sein Lebensmotto.
Ringsgwandl lässt sich nicht vereinnahmen. Weder von der heute gängigen, teils seichten Kabarett-Unterhaltung, noch von seinem eigenen Ruf als lauter abgedrehter Bühnenkünstler.
Er schreibt und spielt Theaterstücke, arbeitet an einem Buch und tourt zwischendurch mit seinem schon drei Jahre alten Programm «Staffabruck».
Begleitet wird er von «den alten Giftlern», den drei hervorragenden Bluesmusikern Nick Woodland (Gitarre), Georg Maria Esser (Bass) und Skip Thaller (Schlagzeug), die fast geistesabwesend Ringsgwandl langen Stehgreifmoderationen lauschen und erst lebendig werden, wenn es gilt, Musik zu machen.
Die Begleitband hat sich ausgezeichnet auf ihren Frontman eingestellt, interpretiert die Stücke ausgesprochen ruhig und zurückhaltend, macht die Musik zum trefflichen und sensiblen Begleiter der Texte.
Mit denen spielt Ringsgwandl auch zwischen den Stücken, macht seine lakonischen und wie nebenbei vorgetragenen Moderationen zum ebenbürtigen Gefährten der Lieder.
Von Jörg Haider über Bill Clinton und Gerhard Schröder landet er mühelos bei der Mörtelallergie, die Maurer an der Ausübung ihres Berufs hindert, eine Urlaubsreise endet in der Angst vor den Russen und Bayern ist «glücklicherweise eingebettet in die deutsche Obervernunft.
Selbst die Raser auf der B12 verdammt Ringsgwandl nicht. Er, der die Eigenheiten jeder Gegend finden will, nennt sie das Besondere des Landstrichs zwischen Maithenbeth und Altötting.
Erstaunt ist er lediglich darüber, dass die Region, die so viele hervorragende und mutige Autofahrer hervorgebracht hat, keinen Formel-1-Star ihr eigen nennt.
Und schließlich jagdt Ringsgwandl zwei Stunden lang den «Millenniums bug», ein «virtuelles Oachkatzl», dass den ganzen Abend lang die kleine Verstärkeranlage im ausverkauften Waldkraiburger Stadttheater knacken lässt, den Hörgenuss und Ringsgwandl hörbar beeinträchtig.
Bassist Georg Maria Esser steckt es gelassen weg, dass Ringsgwandl zunächst ihn fürs Knacken verantwortlich machen will, bevor das Oachkatzl als Sündenbock herhalten will. «Ich kann jeden nur vor ihm warnen», sagt Ringsgwandl noch. «Es verwandelt an Silvester Sekt in Biesel.» Davon kann bei Ringsgwandl keine Rede sein. Bei ihm verwandelt sich banalstes Leben in bewegende, pointierte Geschichten.

Markus Honervogt