Trotzdem ist Ringsgwandl der alte Geschichtenerzähler geblieben,
dem nichts wichtiger ist als der ungeschminkte Blick auf die Menschen.
Die treten in seinen Liedern in all ihrer Zerissenheit auf. Sie sind nicht
gut oder böse, Opfer oder Täter, sondern stets beides. Helden
und Leidtragende des Alltags.Ringsgwandl redet seine Hauptdarsteller nicht
schön. Er stellt sie vor, überzeichnet sie in seiner skurrilen,
abgedrehten Art, lässt sie leben, so wie sie sind. Ein Urteil, Freispruch
oder Verdammung, ist von Ringsgwandl nicht zu erwarten.
Da singt er von seiner Oma, die er als Kind geliebt hat, die beste
Oma der Welt, die ihm stet Guatl geschenkt und viel Zeit für ihn hatte.
Doch schon in der nächsten Strophe lässt sie den Watschnbaum
umkippen, knechtet den Opa, ist selbstsüchtig und ungerecht - und
bleibt doch die geliebte Oma, die mit den Guatln.
Nur einmal durchbricht er diese Ringsgwandlsche Sicht der Dinge und
bringt Matthias Kneissl auf die Bühne. Jenen Dieb, der Anfang dieses
Jahrhunders, «also vor gar nicht allzu langer Zeit», geköpft
wurde. Kneissl, ein Opfer der Verhältnisse, der den Reichen nahm,
sich und den Armen gab, ein liebender Vater und guter Freund. «Er
wollte leben, wie es ihm gefällt», erzählt Ringsgwandl
und gibt dabei viel von sich selbst preis - es ist sein Lebensmotto.
Ringsgwandl lässt sich nicht vereinnahmen. Weder von der heute
gängigen, teils seichten Kabarett-Unterhaltung, noch von seinem eigenen
Ruf als lauter abgedrehter Bühnenkünstler.
Er schreibt und spielt Theaterstücke, arbeitet an einem Buch und
tourt zwischendurch mit seinem schon drei Jahre alten Programm «Staffabruck».
Begleitet wird er von «den alten Giftlern», den drei hervorragenden
Bluesmusikern Nick Woodland (Gitarre), Georg Maria Esser (Bass) und Skip
Thaller (Schlagzeug), die fast geistesabwesend Ringsgwandl langen Stehgreifmoderationen
lauschen und erst lebendig werden, wenn es gilt, Musik zu machen.
Die Begleitband hat sich ausgezeichnet auf ihren Frontman eingestellt,
interpretiert die Stücke ausgesprochen ruhig und zurückhaltend,
macht die Musik zum trefflichen und sensiblen Begleiter der Texte.
Mit denen spielt Ringsgwandl auch zwischen den Stücken, macht
seine lakonischen und wie nebenbei vorgetragenen Moderationen zum ebenbürtigen
Gefährten der Lieder.
Von Jörg Haider über Bill Clinton und Gerhard Schröder
landet er mühelos bei der Mörtelallergie, die Maurer an der Ausübung
ihres Berufs hindert, eine Urlaubsreise endet in der Angst vor den Russen
und Bayern ist «glücklicherweise eingebettet in die deutsche
Obervernunft.
Selbst die Raser auf der B12 verdammt Ringsgwandl nicht. Er, der die
Eigenheiten jeder Gegend finden will, nennt sie das Besondere des Landstrichs
zwischen Maithenbeth und Altötting.
Erstaunt ist er lediglich darüber, dass die Region, die so viele
hervorragende und mutige Autofahrer hervorgebracht hat, keinen Formel-1-Star
ihr eigen nennt.
Und schließlich jagdt Ringsgwandl zwei Stunden lang den «Millenniums
bug», ein «virtuelles Oachkatzl», dass den ganzen Abend
lang die kleine Verstärkeranlage im ausverkauften Waldkraiburger Stadttheater
knacken lässt, den Hörgenuss und Ringsgwandl hörbar beeinträchtig.
Bassist Georg Maria Esser steckt es gelassen weg, dass Ringsgwandl
zunächst ihn fürs Knacken verantwortlich machen will, bevor das
Oachkatzl als Sündenbock herhalten will. «Ich kann jeden nur
vor ihm warnen», sagt Ringsgwandl noch. «Es verwandelt an Silvester
Sekt in Biesel.» Davon kann bei Ringsgwandl keine Rede sein. Bei
ihm verwandelt sich banalstes Leben in bewegende, pointierte Geschichten.
Markus Honervogt