MÜNCHNER KULTUR

Freitag, 31. März 2000

Aktuelle Kritik

Bayern Seite 22 / Deutschland Seite 22 / München Seite 22

Ringsgwandl / Schygulla / Zagrosek

Komisch und tragisch

„Chickenass be watchful“, höhnt der mattgelb gekleidete Clown in der Philharmonie, „Hühnerarsch, sei wachsam.“ Natürlich ist da Georg Ringsgwandl am Werk, Staffabrucker aus Leidenschaft, Ludwig-Zwo-Retter und jodelnder Ex-Mediziner. Doch das geht nicht mit rechten Dingen zu. Denn hinter Ringsgwandl hocken die fulminant aufgelegten Münchner Philharmoniker unter Lothar Zagrosek und bieten dem Abstrus- und Sozial-Anarchen Ringsgwandl Paroli. Mit Bernd Alois Zimmermanns skurril die Musikgeschichte zerschrundendem Monsterballett „Musique pour les soupers du Roi Ubu“ von 1966. In diesen Hirnzermantschungsklängen stößt Renaissance-Tang auf Siegfried-Idyll, Brandenburgisches Konzert auf Strawinsky, Fortner auf Blacher. Es quietscht, es kracht, und so bleibt Alfred Jarrys Ubu-Bosheit gegens Spießbürgertum gewahrt. Da fühlt sich Ringsgwandl so wohl, dass sein ganz normaler Wahnsinn sich richtig passend ausnimmt. Die unbekannten Leiden vom Dingsda, die seelenlosen Seligkeiten eines Rationalisierers: Knicksend und grinsend kennt Ringsgwandl keine Grenzen, und Zagrosek hält mit wundervoller Verve dagegen.

„Lasst mich den Löwen auch spielen“: Der alten Handwerkerregel gemäß hätte Ringsgwandl auch Kurt Weills Brecht-Zyklus „Die sieben Todsünden“ machen sollen. Die (Falsett-)Höhe dafür hat er, und der V-Effekt, diese recht albern durchschaubaren Kleinbürger-Verschen von so einem Mann zu hören, wäre den Spaß durchaus wert gewesen. Doch Ringsgwandl musste Hanna Schygulla weichen. In vollem Respekt vor ihrer Leistung als Faßbinder-Film-Heroin und Meisterschauspielerin: Hanna Schygulla kann die Rolle technisch nicht bewältigen, weil sie unsicher matt in der Höhe bleibt (sie wird nie ein Sopran), die Registerwechsel nicht hinkriegt und mehr kämpft als gestaltet: ein tragisches Scheitern. Das Männerquartett dagegen singt zu unverständlich, und die wattig ungenaue Akustik der Philharmonie fordert bei Weills trockenen Rhythmen wie auch in Strawinskys „Sinfonie in drei Sätzen“, die die Musik aus Wochenschauen parodiert, viele Abstriche: Da können die etwas zu dick besetzten Philharmoniker noch so genau spielen. Aber die kongeniale Programmidee samt Ringsgwandl machen das zumindest teilweise wett.

REINHARD J. BREMBECK