taz Hamburg 21.01.99
 
Von Curry- und anderen Würsten
                        Ringsgwandls "Schrottmusical" Die Tankstelle der Verdammten in der
                      Fabrik

                      Nie war mehr Reim-dich-oder-ich-freß-dich: "Currywurst, bleibst
                      du mir treu, fürcht ich Hölle nicht und Teu/fäll-st du aus zu
                      kroß/straf ich dich mit Ketchup-Soß." Eben noch moll, aber jetzt,
                      achtung, aufgepaßt, fescher Einsatz Blechgebläse. "Ein
                      Schrottmusical" nennt Georg Ringsgwandl Die Tank-stelle der
                      Verdammten im Untertitel, und man muß nicht mehr als die erste
                      Strophe der Ouverture hören, um dem Autor und Komponisten
                      unbedingt zustimmen zu wollen.

                      Als die 1994 in Köln uraufgeführte Tankstelle der Verdammten
                      im Mai 1997 unter der Regie Ringsgwandls mit Ringsgwandl in der
                      Hauptrolle an den ehrwürdigen Münchner Kammerspielen gezeigt
                      wurde, klassifizierte Benjamin Henrichs die Inszenierung in der Zeit
                      als "einen neuen ästhetischen Tiefpunkt dieser ohnehin nicht
                      triumphalen Theatersaison". Doch schon die Überschrift verriet,
                      daß die brave Bildungsbürger-Wochenzeitung irgendwie infiziert
                      worden sein mußte: "Endlich Schrott! Endlich keine Kunst mehr!"
                      triumphierte der befreite Kritiker.

                      Die Geschichte ist schnell erzählt: Das Leben ist eine Tankstelle,
                      aber auf Imbißbuden will man auch nicht verzichten. Chuck ist,
                      klar, ein großer Rockstar, aber irgendwie glauben das nicht mal
                      mehr die Mädchen aus dem Hinterwald. Früher "obercool, die
                      geilste Band im Kreis," hängt er heute an der Frittenbude ab als
                      "zerfaulte Ratte in der sozialen Hängematte". Die Bude macht
                      Freund Tino, der vor den Würsten angeblich Testrunden mit
                      Rennwagen drehte, die Tankstelle gehört Dr. Prittwitz, der so
                      schmierig wie sein Öl ist und damit Chucks Freundin Angie
                      rumkriegt, weil sie, wie alle bayerischen Mädchen dieser Welt,
                      neben Rockstars natürlich auf Geld und Schmiere steht. Eine böse
                      Mutter und eine gute Fee gibt es auch, so daß die
                      Promotion-Agentur von einem "Bühnenstück mit
                      Alltagsrealität"redet, während die Kritik von "Debilität und
                      Genialität in paradiesischer Koexistenz" spricht.

                      Weshalb der einstige Garmische Oberarzt Dr. Georg Rings-gwandl
                      eine solch tragische Geschichte schrieb und funky bis proll-rockig
                      vertonte und warum Tom Mega, einst Kopf von Me and the Heat,
                      in der Tourversion die Rolle des Chuck übernommen hat, bleibt ein
                      Rätsel, daß sich nicht einmal mit des Meisters eigenen Worten
                      erklären läßt: "Die alten Rocknroller, für die wird's langsam knapp/
                      die spielen keine Rolle, die treten einfach ab."

                                                            Christiane Kühl