APPLAUS - Münchner Kultur-Magazin - Mai 97

Herrlicher Schwachsinn

Allerlei verlorene, erfolglose Musiker und ihr Anhang treffen sich in einer heruntergekommenen Tankstelle. Dort hängen sie - zwischen Würstchenbratrost und Zapfstellen für Mensch und Auto - ihren Träumen von Karriere, Konzerten, Platten, dicken Autos und spießigen Eigenheimen nach. Gelegentlich stört eine sehr gebildet und blasiert sprechende Märchenfee die traurigen Helden in ihrem Wunschgefasel, ansonsten wird natürlich so richtig lausig Musik gemacht in der Tankstelle, bis alles und alle in einem höchst theatralischen Inferno bei einem Herrgott namens Karl ihr Ende finden.

So ungefähr könnte man die simple Grundhandlung der "Tankstelle der Verdammten", Untertitel: "Eine lausige Operette" von Georg Ringsgwandl zusammenfassen.

Der riesige Erfolg der Kölner Uraufführung 1994 in Günther Krämers solider Inszenierung hing damals vor allem an zwei außergewöhnlichen Darstellern: Ralph Morgenstern (wurde durch Bockmayer-Inszenierungen bekannt und talkt derzeit regelmäßig mit seinem Damenkränzchen im ZDF) verkörperte in einer Doppelrolle die wundersame Märchenfee sowie die Mutter harter Männer locker, untuntig und wunderbar schräg: Eine gewitzte Hausfrau, der unterm synthetischen Hausfrauenkittel Glühlämpchen hervorblinken, wenn sie die Fee gibt. (In München agiert in dieser Rolle Jörg Hube.) Und Gerd Köster (in München spielt's Manfred Zapatka), der früher zehn Jahre bei "Schroeder Roadshow" war und mit röhrender Stimme und unglaublicher Power die Halle Köln-Kalk zum Beben brachte, gab dem erfolglosen Rock'n Roller Chuck in rissigen Jeans und mit harten Sprüchen keinerlei Klischee.

Von manchen deutschen Kritikern wurde Rindsgwandls Ausflug zwischen Theater, Musiktheater, Operette und Musical damals euphorisch als neue, vielversprechende Form begrüßt, die entweder dem deutschen Theater aus seiner Dauerkrise helfen könnte oder endlich eine Tradition des deutschen Musicals begründen sollte oder beides.

In Wirklichkeit aber, so scheint mir, ist Ringsgwandls "Tankstelle" eine eher lockere Revue, ein Nummerntheater aus Songs, Sprüchen, Sketchen und allerlei Zeitgeistgeschwätz, das von einer einfachen Grundgeschichte und ein paar markant gezeichneten Figuren zusammengehalten wird. Doch für einen höchst unterhaltsamen Ausflug des seriösen Stadttheaters in die Niederungen des herrlichen Schwachsinns - zu den Loosern des Musikgeschäfts zwischen Bierdunst, Currywurst und Sprit - taugt die Vorlage allemal.

Es wird sich zeigen, wie wacker sich die Edelmimen mit der ungewohnten Vorlage als Entertainer schlagen werden und ob das Spektakel auch auf einer kleinen Guckkastenbühne funktioniert.

Alexander Ganter


Christina Preuß, 25.4.97