SZ 24.06.96

Ringsgwandl

Rumpelstilzchen

Derweil wir fleißig unseren Dreck sortieren, ferkelt die Natur, die Sau, ungeniert weiter: 'Eine jede Fichte schmeißt ihre Äste rum. Des ist ihr wurscht.' Das Schönste am neudeutschen Bewußtsein ist, daß es unsere alten Tugenden so prächtig zur Entfaltung bringt: blitzsaubere OberlehrerInnen-Mentalität und (Ver)Ordnungswahn. Die ganze Welt ist unser Vorgarten, und da dulden wir keinen Schmutzfinken. Die menschliche Dummheit stirbt nicht aus, sie wechselt nur die Parolen. Also werden Dr. Ringsgwandl nie die Opfer ausgehen. Die Mountain-Biker und Vorstadt-Rocker haben Gesellschaft bekommen: die paragraphenhörigen Hüter der neuen Ordnung, die Umwelt-Polizisten und Alternativ-Heiler. Die Trend- Abstauber. Das Girlie, das unter dem Applaus der Journaille flötet 'Ich bin doof und stolz darauf' und nach seinen wilden Baby-Tagen einen reichen Rechtsanwalt heiratet. Der bonbonbunte Raver und seine amerikanisch-deutschen Sprechblasen. Protagonisten in Geschichten von Ringsgwandelschem Aberwitz wie jener von der Gewinnung einer sündteuren homöopathischen Hundemedizin - aus Rattenwürmen und Kamelpopeln, die von Beduinenfrauen saubergespeichelt worden sind. Nach seinen Staffabrucker Kindheitsballaden und seinem Erfolg als Musicalautor in Köln zeigt Ringsgwandl mit 'Flash Master R.' alte und neue Stärken. Rumpelstilzchen ist nicht versöhnlich geworden. Der grimmige Polemiker hat seinen scharfsichtigen Zorn nicht verloren, aber neben verbalem Fausthagel und bayerischer Liedermacher-Romantik findet er nun manchmal fast gutgelaunt zu spielerischen Zwischentönen. Begleitet von ausgezeichneten Musikern und einem singenden Bläserinnen- Duo ('die holländischen Schwedendirndln, die dänischen') plündert, persifliert, variiert er die Pop(ulär)musik von Schlagerseligkeit, swingenden Salonmelodien über Hiphop, Country, Rock und Blues bis zum Zwiefachen und dem 'Heavy-Metal-Landler'. In giftgrünen Boxershorts, rosarotem Beinkleid, Glitzer-Disco-Jackett rapjodelt und jault er sich im herrlichsten Katzensopran in höchste Tonhöhen, turnt in seinen typischen spastischen Posen durch die Abziehbilder des Pop-Zirkus. Natürlich fehlen auch die großen Hits nicht: eine Neufassung des 'Hühnerarsch' und seine wunderbare Version von Dylans 'Gotta serve somebody'. Ringsgwandl ist (zu Recht) ein Star. Das Tollwood-Musikzelt ist völlig überfüllt, in der hinteren Hälfte versteht man denn nur die Hälfte. Für ein Best-of- Mitgröl-Medley mag das Riesenzelt taugen. Für einen, der etwas (Neues) zu sagen hat, ist es der ganz und gar verkehrte Ort. So lustig wie bei Willy Astor war es nicht, meint ein Pärchen am Ende. Gottseidank. Dieser Mann hat sich nur als Kasperle verkleidet. Er ist keiner. PETRA HALLMAYER