Ringsgwandls
Ludwig II. kokst, kifft und liebt
knackige Knaben
München
(dpa) - Die königstreuen Bayern hatten es geahnt: In der
Rockoper «Ludwig II. - die volle Wahrheit» sollte das Andenken
ihres
angebeteten Märchenkönigs «besudelt werden».
Deshalb
warnten am Silvesterabend einige schwarze Vermummte die
Theaterbesucher bei der Premiere an den Münchner Kammerspielen vor
der
«Blasphemie» des Stückes: Die «erhabendste, liebenswürdigste,
freigiebigste,
gebildetste und genialste Persönlichkeit» werde in den Sumpf
des Trivialen
hinabgezogen.
Tatsächlich
räumt Musikkabarettist Georg Rinsgwandl in seiner Punkoper auf
mit den Mythen vom glorreichen Bayernkönig. Die «einzigartige
Ikone
bayerischer Kultur», als den ihn seine Anhänger feiern, hüpft
willensschwach,
größenwahnsinnig und leicht debil über die Bühne.
Der von Ringsgwandl
selbst gespielte König kokst für den Kreislauf, er kifft zur
Entspannung und
kann sich an knackigen Knaben nicht sattsehen. Am Ende verkauft er Bayern
gar an den Preußen Bismarck, von Jörg Hube verkörpert,
nur damit er sich
als «Filialleiter» des deutschen Reichs ungestört dem
Bau seiner
Märchenschlösser widmen darf.
Überhaupt
geht es bei Hofe zu wie im Tollhaus: Ludwigs legendäre Cousine
Sissi (Annika Pages) ist ein geldgieriges und mannstolles Dummchen, Maler
Vincent van Gogh (Rufus Beck) ein farbenblinder Fall für die Psychiatrie.
Und
das von Ludwig ausgehaltene, selbsternannte Genie Richard Wagner ist, auch
wenn er sich selbst für ein «Gesamtkunstwerk» hält,
vor allem eines -
chronisch pleite.
Mit
der «exakten historischen Wahrheit» habe das Musical nicht
viel zu tun,
hatte Ringsgwandl schon vor der Premiere betont. Wie und ob der
geisteskranke Bayernkönig am 13. Juni 1886 im Starnberger See umkam,
darauf gibt der Regisseur keine Antwort, er präsentiert mehrere Versionen.
Am Ende entschwindet der Märchenkönig mit Sissi in einem Papp-Schwan
in
den Himmel.
Das
Premierenpublikum störte sich trotz der Warnung der Protestler nicht
an
den historischen Schnitzern und der Verunglimpfung des Bayernkönigs.
Die
Zuschauer belohnten Schauspieler und Musiker nach der zweistündigen
Revue am Donnerstag abend mit lang anhaltendem Applaus - und die
weiß-blauen Demonstranten, denen sich auch «edel gesinnte Preußen»
hätten
anschließen dürfen, waren nach der Premiere verschwunden.