Dr. med. Georg Ringsgwandl, ein "Valentin des Rock'n'Roll", entzieht sich geschickt einer Einordnung in bestimmte Schubladen. Sein Doppelleben als Arzt und als Sänger, der Kabarett und Rock'n'Roll verbinden kann, irritiert viele, ist für ihn aber kein Widerspruch. Er bedient sich musikalisch aller Stile, die man zitieren kann, und kreiert so eine Mischung, die ihresgleichen sucht. Georg Ringsgwandl wurde am 15. November 1948 in Bad Reichenhall geboren. Er genoß dort eine streng katholische Erziehung, was seine "anarchischen Exzesse" in seinem späteren Leben als Künstler erklärt. Nach seinem Abitur studierte er in Würzburg und Kiel Medizin. R. ist verheiratet und hat zwei Kinder. In seinem Hauptberuf arbeitet er als Oberarzt auf der Intensivstation in Garmisch-Partenkirchen. Schon als Kind kam er über das Zitherspiel und die Posaune schließlich zur Gitarre. Im Gegensatz zu vielen Kabarettkollegen, die zeitgleich wie er erste Gehversuche machten (Jonas, Hube, Zimmerschmied) und recht schnell bekannt wurden, mußte er noch in den späten 80er Jahren in München um Auftritte betteln, wie er selber bekennt. R. hatte durch gute Beziehungen 1975 bei der 'Electrola' seine erste Single produziert, die aber floppte, was ihm aus heutiger Sicht recht verständlich erscheint. Zur Geburt der Figur 'Ringsgwandl', von dem gleichnamigen Oberarzt auf der Bühne verkörpert, kam es eigentlich durch Zufall im Sommer 1977. Nach einem feucht-fröhlichen Abend mit seinem Kollegen Willy Michl war der Punkt erreicht, an dem R. dem Publikum etwas ganz anderes präsentierte: "Ich war so wahnsinnig besoffen, daß ich wirklich überhaupt keine Hemmungen mehr hatte." R. spielte eine Nummer auf eine ganz schräge Art, wie er es sich nüchtern nicht getraut hätte. In diesem Moment war das geboren, was er nun mit großem Erfolg häufiger auf der Bühne präsentierte. In den darauffolgenden Jahren trat er als 'Dr. Murschnik' oder 'Gurkenkönig' in verschiedenen Münchener Kleinkunstlokalen ('Drehleier', 'Muh') auf. Er entwickelte einen eigenen, total verdrehten Stil, trat mit billigen, lila-grünen Strumpfhosen auf, verkreuzte die Beine zum X, tat alles, was nicht zum Rock'n'Roll, schon gar nicht ins Kabarett paßte. Mit gemeinen, ironischen Texten wirkte er auf sein Publikum ein. Vielfältig sind seine Themen, immer wieder taucht auch der Tod als Fakt in seinen Songs auf; in "Jedermann" werden mehrere Möglichkeiten erklärt, vorzeitig ins Jenseits befördert zu werden. R. stellt dies fast schon operettenhaft dar. Der vor allem in Bayern verbreiteten tiefen Religiosität geht es in "Papst gesehng" ans Leder. Die Songs aus seinem Live-Programm erschienen dann 1988 auf seiner Debüt-LP "Das Letzte" (bei 'Trikont', einem unabhängigen Label). Außer den oben bereits genannten Titeln enthält dieses Album auch zwei Coverversionen von Mike Batt ("Roulette in Monte Carlo" - im Original "It Seemed Like A Good Idea") und Jimi Hendrix ("The Wind Cries Mary" heißt nun "Der Wind schreit Scheiße"), letztere weicht im Text sehr von der Vorlage ab und schildert einige Notizen aus der bayrischen Provinz. In "Radarstrahl" beschreibt R. mit der für ihn markanten Fistelstimme so wenig zusammenhängende Dinge wie Radarfallen und Polit-Skandale in Bayern. Spärlich, aber sehr effektiv für sein Spiel mit gängigen Klischees, wird er begleitet von Georg Schreiner (Baß, Gitarre), im Trachtenanzug oder als Tankwart gekleidet, und Klaus Reichardt (Tasteninstrumente, Baß) im Matrosenanzug; beide sind auch live dabei, wenn R. z. B. über die Bühne springt wie einst Pete Townshend von THE WHO, nur bei dem Bayern geht es in Zeitlupe. Schon vor seiner ersten Platteneinspielung gab es für R. diverse Auszeichnungen, den Liederpreis des 'SWF' 1987 (u. 1989), den Deutschen Kleinkunstpreis und den Kabarettpreis "Salzburger Stier". R. hatte nie Schwierigkeiten mit seiner Doppelrolle als Arzt und Künstler, es war mehr Ergänzung als Widerspruch: "Ein Job ist doch nicht das ganze Leben. Und der Mensch besteht doch nicht einerseits aus Ernst und Tiefsinn, andererseits aus Scherz und Lachen. Und wie im Leben geht es in meinem Programm drunter und drüber" ('ME/Sounds'). In seinen Auftritten schlachtet R. alle Vorurteile gegen politisch engagierte Live-Satire. 1989 erschien dann sein zweites Werk auf Platte: "Trulla! Trulla!", auf der auch wieder alle ihr Fett wegbekommen. "Nix mitnehma" coverte den Dylan-Song "Gotta Serve Somebody" und handelte wieder einmal vom Tod; R. erkrankte selbst mit 18 an TBC, kann also durchaus sagen, daß er dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Befragt, warum so viele Songs von so unpopulären Themen wie dem Tod handeln, sagte R.: "Wenn ma in der Intensivstation arbeitet, macht ma halt koane so lustige Lieder wia die andern" ('ZEIT'). Aber auch die Schicki-Micki-Szene wurde mit bösem Spott bedacht (in "Cafe"). Seine Vielseitigkeit zeigt R. in der Disco-Parodie "Disco", in der er a capella aus der Welt der Popmusik zitiert und sinnlose bis flache Anmachdialoge ergänzt. Sein künstlerisches Selbstverständnis erklärt ein bißchen der Song "Placido Domingo", in dem sich R. kritisch zu Konzerten von solchen Mega-Stars wie Springsteen, Michael Jackson, Domingo äußert: "Springsteen zwei Stunden lang in der Heldenpose. Das ist eine Zumutung" ('taz'). R. möchte Entertainment machen, nicht monologisierendes Kabarett oder nur Musik. Die Mischung muß stimmen, das ist die einzige Message, sofern R. überhaupt eine hat. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, das Publikum in seine Auftritte einzubeziehen, indem er es unter Umständen einfach anpöbelt: "Zwischen seiner Kunst und dem richtigen Leben gibt es für ihn wenig Unterschied: das eine ist so wahnsinnig wie das andere" ('ZEIT'). Nach der zweiten Platte stieg auch R.s Bekanntheitsgrad "nationweid" [kein Schreibfehler!] an. Ausverkaufte Konzerte zwischen Bremen und Berchtesgaden, was zu einer permanenten Doppelbelastung führte. Der Beruf ließ ihm zumeist nur an Wochenenden Zeit für sein alter Ego. Danach wurde es eine Zeitlang still um ihn. Ein kleines Lebenszeichen war 1991 die Single "I wü nicht Schifahren aber i muß" im für ihn typischen, ironisch-zynischen Stil. Als dann im April 1992 die CD "Vogelwild" erschien, fielen einige Veränderungen auf. Auf der Platte wurden mehr Musiker als sonst eingesetzt, und erstmals stand auch ein größerer Vertrieb zur Verfügung. Insgesamt wirken die Songs etwas beschaulicher, beim ersten Zuhören zumindest. Es klingt professioneller, ohne überproduziert zu sein. Folkblues-Motive, Rap, alles, was man sonst nicht so ohne weiteres mischt, treten bei Ringsgwandl hintereinander auf. Er hatte ohnehin nie Schwierigkeiten, Heavy Metal mit einem Ländler zu verbinden. Diesmal ohne Coverversionen, dafür haben auch seine Musiker an den Kompositionen mitgewirkt. Außer den beiden ständigen Bandmitgliedern haben noch Nick Woodland (g), Wolfi Graf (b), Evert van der Wal (dr), der auch produziert hat, mitgespielt. In den Texten passiert alltägliches. "Stau" beschreibt Autofahrerrealität. In "Apokalypse Berlin", das sehr technisch klingt, rappt R. über die Ausländer-, Asylantenthematik, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger gleich Lösungen bereitzuhalten. In "Sechse in der Früh" schildert er den Alltag in einer erwachenden Stadt, nicht ohne freundlichen Hinweis, daß der "Überbau noch ratzt, weil der war gestern blau", womit auch jene Theoretiker des Marxismus bedacht werden, die so schön alles in Schubladen gepackt haben. Allgemein gute bis euphorische Kritiken erhält R. für dieses Album. Auch der Autor R. ist gefragt, so konnte er im 'Spiegel' einen Artikel über Michael Jackson schreiben, in dem R. beweist, daß er sehr detailliert über das Geschäft Bescheid weiß. Ob er denn nun "Kaspar oder Genie" ist, wie er in dem Abschlußstück auf "Vogelwild" fragt, kann wohl eher mit dem letzteren beantwortet werden. Zumindest entzieht sich R. einer einfachen Einordnung in Links-Rechts-Schemata oder ähnlichen Kategorien. Eine große Rolle in seiner Performance spielt auch sein Dialekt, der natürlich in nördlicheren Regionen der Republik etwas abgeschwächt wird. Insgesamt scheinen die Zeiten für gut gemachten Blödsinn nicht schlecht zu sein, wie auch der Erfolg von ähnlichen Acts wie BADESALZ oder Helge Schneider zeigen. R. startete im Sommer '92 auch wieder eine große Tournee, eingeschlossen auch ein Auftritt auf dem "Monsters of Comedy"-Festival (zusammen u.a. mit den vorgenannten Künstlern), das für ihn allerdings zu einem Fiasko geriet, da er mit dem Publikum nicht zu Rande kam. April 1996 (MA-Journal) - Es wird bekannt, daß Georg Ringsgwandl an einer Oper über König Ludwig II. ("Ludwig II. - die volle Wahrheit") arbeitet. Premiere soll im Juli 1998 am Münchner Gärtnerplatztheater sein.
Diskographie
"Das Letzte" (1986), Trikont "Trulla! Trulla!" (1989), Trikont "Vogelwild" (1992), Trikont (MA-Journal) - "Die Tankstelle der Verdammten" (1996), Our Choice/Rough Trade (MA-Journal) - "Der Gaudibursch vom Hindukusch" (1996), Our Choice/Rough Trade April 1998 (MA-Journal) - Kinostart (D): "Neue Freiheit - keine Jobs" (D 1997). Produzentin: Anja Schmidt-Zäringer. Regie und Buch: Herbert Achternbusch. Darsteller: Herbert Achternbusch (Hick), Dieter Dorn (Polizist), Georg Ringsgwandl (1. Polizist), Jörg Hube (2. Polizist), Axel Milberg (3. Polizist), Horst Kotterba (4. Polizist), Josef Bierbichler (5. Polizist), Thomas Holtzmann (1. Offizier), Rolf Boysen (2. Offizier). Inhalt: Ein obdachloser Lebenskünstler fordert auf dem Münchner Marienhof den Regierungswechsel in Bonn und wird dabei von der bayerischen Polizei unterstützt. Skurril.
Best Of/Hitlist
Jedermann (1986) Radarstrahl (1986) Papst gsehng (1986) Wuide unterwegs (1989) Nix mitnehma (1989) Placido Domingo (1989) Disco (1989) Sekt (1992) Zeitalter der Toagbatzen (1992) Sechse in der Früh (1992) Der Stau (1992) Januar 1998 (MA-Journal) - Georg Ringsgwandl wird gemeinsam mit der Journalistin Renate Just mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet.
Literatur
(MA-Journal) - Kotteder, Franz: Georg Ringsgwandl - Rock vom Doc. Berlin 1996.
Adresse
c/o Trikont-Unsere Stimme, Kistlerstr. 1, 81539 München