Starnberger neueste Nachrichten von Montag, 28.02.2000:

 

                           Der Songpoet des Absurden

 

            Gauting ist hingerissen: Georg Ringsgwandl überrascht mit neuen, nachdenklichen Liedern

  Nein, es waren weder die drei Tenöre noch die Edelkicker des FC Bayern, die am Samstagabend den Verkehr in Gauting

  zum Erliegen brachten. Den Autokorso hatte ein auf den ersten Blick eher unscheinbarer Typ mit schlampigem Hut, rotem

  Sweatshirt und braunem Second-Hand-Sakko provoziert. Einer, der einst als Anarcho Rocker durch die Lande tingelte und

  sich als Kabarettist und Liedermacher längst etabliert hat: Georg Ringsgwandl, der bayerische Barde, hatte halb Gauting in

  die Turnhalle nach Gauting gelockt. Halb Gauting? Jawohl: vom achtjährigen Buben bis hin zur Fraktion der Frühpensionäre

  war, wie der ehemalige Mediziner Ringsgwandl sagen würde, die gesamte Population repräsentiert.

 

  Begnadeter Geschichtenerzähler

 

  Ringsgwandl ist ein begnadeter Geschichtenerzähler - nicht nur in seinen Songtexten, sondern auch in den

  unvermeidbaren, ausufernden Monologen zwischen den Liedern. Der Mann redet dermaßen komisches, manchmal auch

  verworrenes Zeug, dass meist schon nach dem ersten Satz Gelächter ausbricht und am Ende des Konzerts drei Stunden

  wie im Flug vergangen sind. Seine Stimme hat dabei etwas Exaltiertes, Grelles, manchmal aber auch Zärtliches. In Gauting

  standen dem Künstler zwei Musiker zur Seite, die ihn bei seinen Country-, Rock- und Folknummern unterstützen, ohne ihm

  die Schau zu stehlen: Der Engländer Nick Woodland an der Bluesgitarre und der exzellente Bassist Georg Esser.

  Ringsgwandl hat seit seiner letzten CD "Der Gaudibursch vom Hindukusch" viele neue Stücke geschrieben. Lieder über die

  Internet-Generation, das Schönheitsideal im neuen Jahrtausend und über den Wunsch berühmt zu sein. Keiner kann so

  tiefschürfende Überlegungen über das Schicksal eines verschrumpelten Kondoms am Wegesrand anstellen wie der

  Songpoet aus Garmisch ("armes kleines Unterhoserl"). Keiner, der medizinische Probleme wie Raucherhusten, Zahnstein,

  Fußpilz oder die Triebhaftigkeit beim Mann besser erkannt hätte.

  Ringsgwandl ist aber nicht nur ein Interpret des Absurden, sondern zudem ein scharfsinniger Kritiker des deutschen

  Spießers – die "kleinen Pisser" haben es ihm besonders angetan. Nachdenkliches über seine Jugend ("Mei Oma", "Des

  warn noch Winter") ergänzen das Programm.

 

  Gaudi-Seminar

 

  Ein wenig glich das Publikum in der Turnhalle dem eines wissenschaftlichen Kongresses. Vielleicht, weil die inzwischen

  leicht angegrauten Ringsgwandlologen in der Mehrheit waren. Eine Gruppe, die jedesmal in Verzückung geriet, wenn der

  Meister einen der alten Songs über die Reichen, Schönen und Bescheuerten spielte. Vielleicht aber auch, weil der Sänger

  selbst die Parole ausgibt, "nicht nur Gaudi zu machen", sondern eine Art Seminar abzuhalten- ein Seminar über Sitten

  seiner Heimat. Und man kann bei ihm einiges lernen. Etwa über den legendären Räuber Mathias Kneissl, ein bayerischer

  Robin Hood, der 1902 in Augsburg unter dem Fallbeil starb.

  Es fällt auf, dass sich Ringsgwandl insgeheim Gedanken über das Älterwerden macht. Seine Zielgruppe, sagt er

  scherzhaft, sind die 18- bis 28-jährigen Mädels. Der Eroberungsdrang eines Mannes in der Midlife-Crisis? Wenn die Rede

  auf ewig-junge Pseudo-Machos wie Dieter Bohlen Kommt, inszeniert er einen Wutanfall: So eine wie die Naddel, die auf

  Befehl Schnitzel brät, hätte er wohl auch gerne.

  Das Derbe, das Chaotische ist noch immer da in seinen Songs, überlagert wird es aber von einer melancholischen

  Weltsicht. Obwohl er gerne vom Ficken redet oder davon, die ganze Volksmusik-Szene mit einem Schlag aufzumischen.

  Manche seiner Lieder sind irgendwie leiser als früher, auch wenn die Geschichten skurril geblieben sind. Das kommt an:

  Gauting war ein Heimspiel für Ringsgwandl, und sein Fanclub dürfte nach diesem Auftritt noch gewachsen sein.

 

 

  CHRISTIAN MAYER