Montag,
14. Juni 1999 REGION MÜNCHEN M / B Süddeutsche Zeitung Nr. 133 / Seite 54
Der „Kini“ als Held einer Seifenoper
Königtreue beklagen am Todestag Ludwigs II.
Musicalpläne und anderen Kitsch
Von Christian Mayer
Berg –
Seit 113 Jahren ist Ludwig II. tot, aber der Mythos des bayerischen Monarchen
ist lebendiger denn je. Mehrere hundert seiner Verehrer versammelten sich am
Sonntag zu einem Gedenkgottesdienst in der Votivkirche bei Berg am Ufer des
Starnberger Sees – dort, wo König Ludwig am 13. Juni 1886 unter ungeklärten
Umständen ums Leben kam. Abordnungen königlich-bayerischer Traditionsvereine
strömten mit ihren weißblauen Fahnen in die Kirche, um dem Monarchen ihre
Reverenz zu erweisen. Auch die Wittelsbacher gaben sich die Ehre: Ursula von
Bayern saß mit ihren Kindern in der ersten Reihe. Derweil hielt sich der
Münchner CSU-Politiker Peter Gauweiler, sichtlich bewegt, im Hintergrund.
Nach
dem offiziellen Teil der Gedenkveranstaltung tauchten dann überraschend drei
Abgesandte der „Guglmänner“ in einem Ruderboot bei der Todesstelle am Seeufer
auf. „Der Sarg ist leer“ hieß es auf ihrem Plakat. Der König, darauf wiesen die
stummen Geheimbündler gestern wieder hin, sei nicht im Zustand geistiger
Umnachtung ertrunken, sondern auf der Flucht erschossen worden. Um dies zu
beweisen, drängen sie darauf, den Sarkophag Ludwigs öffnen lassen. Vor einem
halben Jahr hatten die Kapuzenträger bei einer Demo vor den Münchner
Kammerspielen auf sich aufmerksam gemacht. Die Punkoper von Georg Ringsgwandls
über Ludwig sei Blasphemie, lautete damals ihr Vorwurf. Gestern beschränkten
sich die Guglmänner auf einen Kurzauftritt.
An
Spekulationen über Ludwigs Leben und Sterben möchten sich andere
traditionsbewußte Bewunderer nicht mehr beteiligen. Aber auch sie sehen die
Ehre des Toten in Gefahr. Günter Weinzierl, Vorsitzender des Landesverbands der
Königstreuen, zeigte sich in seiner Ansprache empört über das „falsche Bild“,
das über Ludwig verbreitet werde: „Es ist peinlich, aus seiner Person Kapital
zu schlagen. Wenn Ludwig von Fremdenverkehrsmanagern verkitscht wird, ist die
Grenze des guten Geschmacks erreicht.“ Was in Musicals oder Theateraufführungen
gezeigt werde, sei „blühender Unsinn“.
Auch
gegen hartnäckige Gerüchte nahm Weinzierl den König in Schutz: Ludwig sei weder
ein „Männerfreund“ noch ein selbstsüchtiger Egomane gewesen: „Er war ein
genialer Monarch, der an der Wirklichkeit zerbrochen ist.“ Sein Ziel war es, in
Bayern Kunst und Kultur zur Vollendung zu bringen – ganz im Gegensatz zu anderen
Potentaten seiner Zeit, die lieber Kriege geführt hätten. Dem Bayernkönig sei
es stets um das Wohl seiner Untertanen gegangen, auch die Einführung der
Freiwilligen Feuerwehr und des Tierschutzes gingen letztlich auf ihn zurück.
„Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor Ludwig“, sagte Weinzierl, als die
Bayernhymne verklungen war. Über den Versuch, aus der Geschichte des
Wittelsbachers eine Seifenoper zu machen, könne man nur den Kopf schütteln:
„Aber er selbst hätte darüber wahrscheinlich milde gelächelt.“
IM
SEICHTEN WASSER am Ostufer des Starnberger Sees kam am 13. Juni 1886 König
Ludwig II. zu Tode. Gestern versammelten sich wieder Hunderte von Anhängern bei
einer Messe und Feier zu seinem Gedenken.
Photo:
Fuchs
©
Süddeutsche Zeitung 1999